Autoren: Enno Drewes, Nico Taute
Marxistische Ökologie
Inhaltsverzeichnis
Abbildung Hintergrund: MARX auf grünem Grund.
1 Definitionen und wichtige Vertreter:innen1
1.1 Politische Ökologie
Die Poltische Ökologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, welche ihre Ursprünge in den Sozialwissenschaften hat. Sie befasst sich mit den Einflüssen von menschlichem Handeln im politischen und gesellschaftlichen Kontext auf das Ökosystem. Insbesondere im Rahmen der Klimakrise gewinnt diese junge wissenschaftliche Disziplin an Bedeutung.
Die politische Ökologie wurde von den zwei Geographen P. Blaikie & H. Brookfield als ein neuer Zweig der Sozialwissenschaften begriffen. Dieser Zweig beruht auf der Annahme, dass Umweltprobleme nur aus einer humanökologischen Sichtweise begreifbar sind. Diese können bspw. im Kontext des Klimawandels, des Gebrauchs von unangemessenen Technologien, der nicht adäquaten Bewirtschaftung von Land (bspw. green-grabbing) oder der expansiven Nutzung von natürlichen Ressourcen liegen. Die Wechselwirkungen zwischen dem abiotischen Raum und dem von Menschen kreierten Raum nimmt in diesem Zweig der Geographie einen hohen Stellenwert ein und qualifiziert sich damit zu einem wichtigen Ansatz in der Raumwissenschaft (Blaikie & Brookfield 1987, S. 106). Weiter erkannten sie in diesem Kontext, dass die Umweltprobleme darüber hinaus auch im historischen, politischen und ökonomischen Kontext betrachtet werden müssen.
[1] Die vorliegende Arbeit wird in dem Bewusstsein geschrieben, dass das generische Maskulinum nicht alle Geschlechter gleichberechtigt repräsentiert. In der vorliegenden Arbeit wird daher die gendersensible Schreibweise genutzt. Wenn gegendert wird, wird aufgrund der Lesbarkeit der Doppelpunkt >>:<< verwendet. Hiermit soll auf keinen Fall eine Deutungshoheit beansprucht werden, wie im wissenschaftlichen Diskurs mit der Frage um gendersensible Sprache verfahren werden soll, respektive Möglichkeiten der Kennzeichnung, respektive ihre Relevanz im dahinterstehenden politischen Diskurs negiert werden (vgl. Artl, Schalkowski 2018: S. 4 ff).
1.2 Neoliberalisierung von Natur
Politische Ökologie beschreibt die Kritik an der herrschenden Umweltpolitik. Die Neoliberalisierung der Natur beschreibt im Kontext dieser, dass die Natur als eine Ware begriffen wird. Vergleichbar ist dies mit dem Begreifen der Arbeitskraft als Ware in der Kritik der Politischen Ökonomie von Marx. In der Politischen Ökologie wird dieser Begriff auch im Kontext der „Commodification of nature“ oder der „Warenförmigkeit“ der Natur besprochen (Vgl. Magdoff & Foster 2010).
Die Zuordnung der Begriffe Natur und Neoliberalisierung zueinander erfolgte in den 1980er Jahren, indem die Deregulierung von Märkten durch die Politik weiter vorangetrieben wurde und gleichzeitig größere Umweltkatastrophen öffentlich wurden (Renner 2002, S.176). Die Idee war es, dass der zunehmenden Zerstörung der Natur und dem Verbrauch der natürlichen Ressourcen mit Marktkräften zu begegnen sei. Die Natur wurde nach und nach als Handelsgut begriffen (Fairhead et al. 2012, S. 243 ff).
In diesem Kontext ist insbesondere die Neuschaffung von „grünen Märkten“ zu erwähnen. Vergleiche hierzu die Annahmen von Rosa Luxemburg zur „Landnahme“ (Vgl. Röttger). Die Natur erhält hierbei einen monetären Wert und verliert durch den grünen Markt ihren Status als öffentliches Gut. Diese Privatisierung öffentlicher Güter ist mit Disparitäten zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen verbunden: arm vs. reich, urban vs. ländlich, Globaler Süden vs. Globaler Norden. Unter diesen Vorrausetzungen wird auf grünen Märkten zwar ein Beitrag zur Verbesserung der oft zerstörten globalen Umwelt geleistet, aber vorzugsweise dort, wo es am billigsten ist oder die Schäden am geringsten sind (Fairhead et al. 2012, S. 243 ff).
Unser Gesellschaftsmodell setzt weiterhin auf neue produktive Kapazitäten, die gleichzeitig die Expansion von Bedürfnissen fördert. Diese Gesellschaftsform begründet sich zudem auf der absoluten Kontrolle der Natur zum Zwecke des Wachstums. Die Inhaber:innen der Produktionsmittel respektive die Besitzer:innen der Verfügungsgewalt über diese, werden im Folgendem als Kapitalist:innen bezeichnet. Sie wollen und müssen die Natur kontrollieren, um das Wachstum des Kapitals zu begünstigen und die Profitmaximierung zu gewährleisten (Glassman 2006, S. 610f., 622).
Die Verfügungsgewalt über die Natur kann unterschiedliche Erscheinungsformen annehmen. Das so genannte „green grabbing“ ist ein Beispiel für diese Kontrollausübung. Dieser aktuelle Begriff ist eine Abwandlung vom Begriff des „land grabbing“, welcher komplexe, dynamische und unterschiedliche Entwicklungen in der Agrarwirtschaft beschreibt. Grundsätzlich ist wie beim „green grabbing“ aber von einer Veredelung von Gütern zur Profitmaximierung auf den Weltmärkten die Rede. Der Begriff des „grabbing“ bezieht sich in diesem Kontext auf den Umgang mit dem verkauften Land. Der Großteil der Bevölkerung wird hierbei von der weiteren Nutzung ausgeschlossen. Beispielsweise zur Produktion von „cash crops“ anstelle von Grundnahrungsmitteln, welche dem Allgemeinwohl der Gesellschaft dienen könnten (Apostolopoulou & Adams 2014, S. 18).
Darüber hinaus ist die zunehmende Bedeutung des Ökotourismus als Beispiel zu nennen. Hierbei werden Naturlandschaften oder Ökosysteme als Ganzes, das heißt inklusive deren abiotischen und biotischen2 Faktoren, dem Wettbewerb ausgesetzt und auf einem freien Markt gehandelt. Dies kann z.B. die Vermarktung eines Naturschutzreservoirs zum Jagen von Wild sein (Ebd:23). Dieser Teil der Natur wird der Allgemeinheit zur Verwendung entzogen und unterliegt dann den freien Wettbewerbsgesetzen von Angebot und Nachfrage und damit auch dem kapitalistischen Grundgedanken der Profitmaximierung, welcher zu einer Ausbeutung der Natur oder auch der Lohnabhängigen respektive der Bewohner:innen führen kann. Weiterhin kann diese Entwicklung zur sozialen Segregation führen, welche sich durch unterschiedliche Einkommen und unterschiedlicher sozialer Teilhabe bemerkbar macht. Auf globaler Ebene ist als Beispiel die Klimakrise zu nennen. Das Besondere bei dieser Umweltkatastrophe ist die globale Pfadabhängigkeit dieser. Dies beinhaltet auch die Tatsache, dass die Vermeidung der Klimakrise einen globalen Ansatz mit einer gemeinsamen Handlungsstrategie benötigt, welche bspw. die Kohlenstoffdioxid- und Methan-Konzentrationen in der gemeinsamen Atmosphäre reguliert. Durch das unterschiedliche Ausmaß der globalen Bewirtschaftung, wird diese jedoch von den Akteur:innen unterschiedlich stark beansprucht (Osborne 2013, S.126). Die Verortung dieser Umweltkatastrophe ist zunächst die gemeinsame Atmosphäre der Erde. Sie gilt für die Allgemeinheit als ein verwertbares Gut. Diese Umweltproblematik lässt sich auch mit der „Allmende-Problematik“3 verbinden. Einige Staaten begegnen dieser Problematik durch Reduktion der Zugänglichkeit der „Ware Atmosphäre“, mittels Emissionshandel oder CO2-Steuern. Die Vermarktung findet unter Wettbewerbsbedingungen statt. Der kapitalistische Lösungsansatz, den Umweltproblemen wie bspw. dem Emissionshandel mit CO2-Zertifikaten, einen Warenwert zuzuordnen garantiert der Käufer:in die Ausbeutung und damit die Zerstörung der Natur bei gleichzeitiger Regulierung des Umweltproblems. Der globale Emissionshandel weist aber Lücken in der Erfassung der tatsächlichen Umweltschäden auf (Magdoff & Foster 2010, S. 5ff.).
[2] Dies können unter anderem Tiere sein. Beispiel: eine Safari in Südafrika, in der nicht nur die Tiere, sondern auch die Landschaft beworben wird.
[3] Die Allmende-Problematik beruht auf der Annahme, dass öffentliche Güter wie gesellschaftliche Ressourcen nicht dem Ausschlussprinzip unterliegen, allerdings gilt das Konkurrenzprinzip: Die Nutzung durch einen Akteur mindert die Nutzungsmöglichkeiten für andere. (Grabher, G., 2018, Ökonomie der Stadt. Vorlesungsreihe an der HafenCity Universität, Hamburg)
1.3 Akkumulation durch Enteigung
Die Theorie der „Akkumulation durch Enteignung“ ist eine vom US-amerikanischen-britischen Geographen David Harvey entwickelte Theorie zur Beschreibung von Überakkumulationskrisen im Kapitalismus. Sie gilt als Ableitung von Karl Marx‘ Theorie der Akkumulation. Harvey erkannte in seiner Theorie vier Momente, welche diese beschreiben: 1. Privatisierung, 2. Management und Manipulation von Krisen 3. Finanzialisierung 4. staatliche Umverteilung. Die Kapitalist:innen versuchen hierbei bis in die Peripherie vorzudringen, um die von Marx beschriebene Akkumulation basierend auf Raub, Betrug und Gewalt zur Kapitalanhäufung fortzusetzen (Glassman 2006, S. 610 und Fairhead et al. 2012, S. 243).
Mit der Privatisierung beschreibt Harvey die Intervention der Kapitalist:innen auf Waren, welche zuvor unter staatlicher oder öffentlicher Verwaltung respektive Überwachung standen. Die Privatisierung eröffnet im Rahmen der Überakkumulationskrise neue Geschäftsfelder, welche von Kapitalist:innen genutzt werden, um Kapital neu zu reinvestieren. Diese Idee steht im Einklang mit der marxistischen Mehrwertheorie (s. 1.4.2). Insbesondere in den 1980ern und 1990ern ist diese Privatisierung in vielen westlichen Staaten vollzogen worden. Die Privatisierung und der Verkauf sind jedoch nicht auf staatliche Unternehmen beschränkt. Das Investitionsfeld der Kapitalist:innen scheint keine Begrenzung zu kennen (Vgl. Röttger 2011) und nimmt dabei im Rahmen der Marxistischen Politische Ökologie noch zusätzlich die Natur respektive die sogenannten „eco system services“ als Möglichkeit zur gewinnbringenden Profitmaximierung an (s. 1.2). Mit der Finanzialisierung beschreibt Harvey den Prozess der Verknüpfung von diesen und anderen Waren mit den Finanzmärkten. Diese Verknüpfung dehnte sich im Zuge der Globalisierung auf den gesamten Globus aus. Sie dienen dabei als Umverteilungszentren für die Kapitalist:innen. Im gleichen Atemzug erlaubt die Umstellung der Fiskalpolitik auf eine Politik der Kostenreduktion keine große Absicherung an der sozialen Teilhabe von Menschen mit geringem oder keinem Einkommen, welche u.U. unter den Folgen der Akkumulation durch Enteignung leiden. Die fehlende soziale Teilhabe wird in der Politischen Ökologie auch als Folge des sogenannten „green grabbing“ gesehen. Die Auslösung des „green grabbing“ ist nach Fairhead etal. (2012, S. 241 ff.) unter anderem dem Management und der Manipulation von Krisen geschuldet, welche bspw. durch so genannte „Strukturanpassungsprogramme“ in den 1980ern Jahren zu beobachten waren. Die Überschuldung von öffentlichen Haushalten in Ländern, welche zumeist aus der eurozentrischen Sichtweise als unterentwickelt angesehen werden, führten bis zum heutigen Tage zu einer Restrukturierung der staatlichen Verwaltungsträger, des Wirtschafts- und des Sozialsystems zu einem neoliberalen Staat. Die „Akkumulation durch Enteignung“ ist als ein Prozess zu verstehen, der die zuvor genannten Elemente enthält (Ebd:241ff.) Laut dieser Theorie – und auch nach der der Politischen Ökologie – ist die Ausbeutung nicht nur auf die Lohnabhängigen beschränkt. Die Natur bzw. die Ökologie als Ganzes werden als ein Investitionsfeld verstanden. Dazu gehören nicht nur die Auswirkungen der Wirtschaft auf die Umwelt, sondern auch die Art, wie die Natur als Investitionsfeld zur Profitmaximierung betrachtet wird. Diese Enteignung führte in den letzten Jahren zur Zunahme von sozialen Protesten (Glassman 2006, S. 610ff., 622). Die durch den Ausschluss vom Reichtum produzierte Armut und dem daraus resultierendem Unmut, kann zu eben genannten Unruhen führen.
1.4 Marxistische Grundlagentheorie
Zum besseren Verständnis der Politischen Ökologie: dem Begreifen der Natur als Ware und der daraus resultierenden Ausbeutung, werden im Folgenden grundlegende Begriffe der marxistischen Theorie erläutert.
1.4.1 Privateigentum
Ein Kernelement der marxistischen Theorie ist die Kritik am Privateigentum. Hiermit sind nicht Konsumgüter von Privatpersonen gemeint. Es geht um das Privateigentum an, respektive die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel4. Im Kapitalismus haben die Arbeitnehmer:innen nur ihre Arbeitskraft, welche sie verkaufen können. Die Kapitalist:innen haben ein Monopol auf die Produktionsmittel. Daher haben sie die Macht, die Ware Arbeitskraft auszubeuten. Es wird in diesem Zusammenhang auch von dem „doppelt freien Lohnarbeiter“ gesprochen. Frei seine oder ihre Arbeitskraft an den oder die zu verkaufen, an den er oder sie will (hierin unterscheidet er sich vom Sklaven und vom Leibeigenen). Aber eben auch frei vom Besitz an den Produktionsmitteln. Hierdurch ist er oder sie gezwungen, seine respektive ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Daraus leitet Marx den Begriff des Lohnsklaven ab. Das Privateigentum in Bezug auf die Natur ist das Privateigentum auf den Boden, das Grundeigentum:
„Das Grundeigentum setzt das Monopol gewisser Personen voraus, über bestimmte Proportionen des Erdkörpers als ausschließliche Sphären ihres Privatwillens mit Ausschluss aller anderen zu verfügen. Dies vorausgesetzt, handelt es sich darum, den ökonomischen Wert, d. h. die Verwertung dieses Monopols auf Basis der kapitalistischen Produktion zu entwickeln“.
(Marx & Engels 1972, S. 628 f.)
1.4.2 Mehrwerttheorie5+6
Nach Marx wird Mehrwert durch die „kapitalistische Produktionsweise“ generiert. Der oder die Kapitalist:in stellt die Produktionsmittel zur Verfügung (bspw. eine Fabrik). Um jetzt eine Ware zu produzieren benötigt er Arbeiter:innen (Arbeitskraft). Die produzierte Ware kann er mit einem Gewinn verkaufen, da er dem oder der Arbeiter:in nur so viel bezahlt, wie er oder sie benötigt, um seine respektive ihre Arbeitskraft zu reproduzieren (Wohnen und Essen). Diesen Mehrwert kann der oder die Kapitalist:in nun reinvestieren. Durch diese Kapitalakkumulation wird er oder sie immer reicher.
Oder einfacher ausgedrückt: Mit Geld (G) werden Waren (W) produziert, die dann für mehr Geld (G`) verkauft werden: G-W-G`
1.4.3 Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit7
Die unter 1.4.1 Privateigentum beschriebenen Verhältnisse und die daraus entstehende „kapitalistische Produktionsweise“ führen laut Marx unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen zu einem determinierten gesellschaftlichen Verhältnis, einem Machtverhältnis. Die Lohnabhängigen haben nur ihre Ware Arbeit, die sie den Kapitalist:innen verkaufen können. Dieser Widerspruch ist laut Marx im Kapitalismus nicht aufzuheben, daher spricht man hier auch von dem (antagonistischen) „Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit“.
[4] Als Produktionsmittel werden in den Wirtschaftswissenschaften und bei Marx alle Mittel (Arbeiter:innen, Betriebsstätten, Ressourcen) bezeichnet, die für die Produktion notwendig sind. (Vgl. MEW23:193 f.).
[5] Bei Marx wird mit dem Mehrwert die Differenz der eingesetzten Produktionsmittel beschrieben (Vgl. MEW23:184).
[6] Diese Theorie veröffentlichte Marx in seinem Hauptwerk: „Kritik der politischen Ökonomie“. In diesem Werk versucht sich Marx an einer umfassenden Kritik der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse auf Basis der Ökonomie (Vgl. Altvater.2012).
[7] Auf die Diskussion über den Haupt- und Nebenwiderspruch werden wir in dieser Arbeit nicht eingehen, da sie auch eher in einer marxistischen Blase stattfindet und für die gesellschaftliche Relevanz des Marxismus eher unbedeutend ist.
2 Marxistische Politische Ökologie – Die Kritik der politischen Ökonomie in Bezug zur Natur8
Die Kritik der politischen Ökonomie (umgangssprachlich: Marxismus) geht von einer Zerreißung des inneren Bandes von gesellschaftlicher Arbeit und Naturkräften aus: „Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet“ (Marx & Engels 1972, S. 528). D.h. durch die Entwicklung der Produktivkräfte9 wird die Aneignung der Natur differenzierter, zugleich entfremdet sich der Mensch von den Naturverhältnissen. Siehe hierzu als Beispiel die Nahrungsmittelproduktion: Höhere Produktivität führt zu einer Abnahme der Hungersnöte, was aber eben auch eine Zerstörung der Natur bspw. der Böden (Zunahme der Bodenerosion) zur Folge haben kann. Die geschichtliche Entwicklung läuft auf die Steigerung der Produktivkraft, d.h. auf die Schaffung von Surpluszeit10 hinaus. Brauchen die Lohnabhängigen all ihre Zeit zur Produktion der Lebensmittel, bleibt keine Zeit für dritte Personen zu arbeiten. Das heißt, wenn die Lohnabhängigen die ihnen zur Verfügung stehende Arbeitskraft dafür verwenden müssen, um ihre elementaren Bedürfnisse (Essen und Wohnen) zu befriedigen (Reproduktion). Die gesteigerte Produktivität, kommt nun aber nicht diesen zugute, sondern die Kapitalist:innen generieren hieraus ihre Gewinne:
„So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Surplusarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepreßt wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z.B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit“.
(Marx & Engels 1972, S. 231)
Das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit ist das Produkt eines langen Entwicklungsprozesses. Der Kapitalismus steht nach Marx am bisherigen Ende einer langen Entwicklung der Produktivkräfte: „Wir sehen also, wie die moderne Bourgeoisie[11] selbst das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweise ist“ (Marx 1962, S. 464). Erst unter dem Kapitalismus wird eine beständige Entwicklung der Produktivkräfte möglich. Die Industrialisierung schafft die Voraussetzungen für die kapitalistische Produktionsweise:
„Aber immer wuchsen die Märkte, immer stieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionierte der Dampf und die Maschinerie die industrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Industrie, an die Stelle des industriellen Mittelstandes traten die industriellen Millionäre, die Chefs ganzer industrieller Armeen, die modernen Bourgeois. Die große Industrie hat den Weltmarkt hergestellt, den die Entdeckung Amerikas vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schifffahrt, den Landkommunikationen eine unermessliche Entwicklung gegeben. Diese hat wieder auf die Ausdehnung der Industrie zurückgewirkt, und in demselben Maße, worin Industrie, Handel, Schifffahrt, Eisenbahnen sich ausdehnten, in demselben Maße entwickelte sich die Bourgeoisie, vermehrte sie ihre Kapitalien, drängte sie alle vom Mittelalter her überlieferten Klassen in den Hintergrund“.
(Marx 1962, S. 463)
Die Industrialisierung hatte auch positive Seiten, weil preiswerter und effizienter produziert werden konnte. Die Lohnabhängigen hatten dadurch einen besseren Zugang zu bestimmten Waren und Dienstleistungen. Allerdings nur soweit sie sich auch einen Anteil am Surplus erkämpften (bspw. durch Arbeitszeitverkürzung). Mittels der kapitalistischen Produktionsweise können Mensch und Natur nun global ausgebeutet werden:
„Die Bourgeoisie reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen in die Zivilisation. Die wohlfeilen Preise ihrer Waren sind die schwere Artillerie, mit der sie alle chinesischen Mauern in den Grund schießt, mit der sie den hartnäckigsten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen, die Produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie nicht zugrunde gehen wollen; sie zwingt sie, die sogenannte Zivilisation bei sich selbst einzuführen, d.h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde“.
(Marx 1962, S. 466)
In Verbindung mit dem Privateigentum können die Arbeitskraft und der Boden in nicht gekannter Art und Weise ausgebeutet werden. Durch gesellschaftliche Gesetze werden die Arbeitszeiten und die Bedingungen der Arbeit geregelt. Dasselbe gilt auch für eine Begrenzung der Ausbeutung bzw. den vernünftigen Umgang mit der Natur. „Dieselbe blinde Raubgier, die in dem einen Fall die Erde erschöpft, […]“ führt zur Übermäßigen Ausnutzung der Arbeitskraft – daher braucht es regelnde Gesetze (Marx & Engels 1972, S. 253).
„In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie den Bauern, das Bollwerk der alten Gesellschaft, vernichtet, und der Lohnarbeiter ihn ersetzt. Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten, die sie in der Periode vollständiger Trennung erlangt hatten. Mit dem stets wachsenden Uebergewicht der städtischen Bevölkerung, die sie in großen Centren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft; andrerseits zerstört sie nicht nur die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter, sondern stört auch den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandtheile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. […] Aber sie zwingt zugleich durch die Umwälzung der bloß naturwüchsig entstandnen Umstände jenes Stoffwechsels ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen. […] Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter auszubeuten, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprocess“.
(Marx & Engels 1972, S. 253)
[8] Anzumerken wäre noch, dass es sich bei dieser Lesart von Marx nur um eine von vielen handelt. Diese neo-marxistische Lesart, entstanden in den 70er Jahren, steht im klaren Widerspruch zu der marxistisch-leninistischen Lesart der stalinistisch geprägten Länder des ehemaligen Ostblocks. Die Benennung der Widersprüche in Marx und Engels Werken, nicht die Suche nach der einen Wahrheit, der zu folgen ist, bildet die Grundlage dieser Lesart.
[9] Als Produktivkräfte werden bei Marx sämtliche Ressourcen bezeichnet, die zur Produktion herangezogen werden können: materiell wie immateriell. Laut ihm besteht eine Interpendenz zwischen den Produktivkräften und -verhältnissen. Diese bilden laut Marx historisch jeweils eine eigene Produktionsweise (Vgl. MEW25:269)
[10] Die Surpluszeit, stellt den Zeitüberschuss dar, welcher dem Wert der Differenz von verfügbarer Arbeitszeit und Reproduktionszeit entspricht. D.h. die Zeit die den Lohnabhängigen eigentlich bliebe, nach dem er seine Arbeitskraft zur Sicherung der Grundbedürfnisse verkauft hat (Vgl. 1.4.2 Mehrwert).
[11] Bei Marx wird die der Arbeiter:innenklasse gegenüberstehende Klasse als Bourgeoisie bezeichnet. Die Klasse der Besitzenden und Herrschenden (Vgl. MEW2:486 ff.).
3 Anwendungsbeispiele
In den folgenden Anwendungsbeispielen nimmt die Arbeit Bezug auf Arbeiten von Studierenden des Seminars zum Thema Marxistische Politische Ökologie. Dazu wurde der wissenschaftliche Text „What Every Environmentalist Needs to Know About Capitalism“ von F. Magdoff und J. Foster aus dem Jahre 2010 als eine Mind-Map aufbereitet und in einem Fließtext erklärt.
3.1 Grundsätzliches Wirkungsgefüge
Grundsätzlich steht der Kapitalismus im Konflikt mit sozialer Gerechtigkeit und der Umwelt. Soziale Gerechtigkeit und Umwelt gehören dabei für die Studierenden auf Grundlage von Magdoff & Foster (Ebd:4). untrennbar zueinander und bedingen sich gegenseitig. Der Konflikt wird im Alltag durch: a) eine kontinuierliche Expansion b) der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen c) der Globalisierung d) der Ausbeutung von Lohnabhängigen durch enorme Unterschiede in Vermögen und Einkommen e) die Zugänglichkeit von Waren und Dienstleistungen nur über Vermögen und Geld beschrieben.
Dieser Konflikt führt regelmäßig zu sozialen und ökologischen Krisen. David Harvey’s Theorie zur Akkumulation durch Enteignung (s. 1.3) dient hierbei als Grundstein. Magdoff & Foster fragten weiter, wie sich diese Überwindung der Überakkumulationskrisen auf die sogenannten „planetary boundaries“, also den planetaren Grenzen, auswirkt (Ebd:3). Die Studierenden kommen zur Erkenntnis, dass ein Umdenken in allen Bereichen erforderlich ist, um die sozialen und ökologischen Krisen in der Zukunft zu vermeiden.
3.2 Covid-19-Pandemie
Autoren: Enno Drewes, Nico Taute
In Bezug auf die aktuelle Covid-19-Pandemie machen die Studierenden deutlich, dass die Zunahme der infektiösen Krankheiten mit der zunehmenden Zerstörung der Ökologie einhergehen (ebd). Die Covid-19-Pandemie ist dabei wahrscheinlich nur der Anfang von vielen weiteren Pandemien. Sie kommen zum Schluss, dass die Covid-19-Pandemie dabei zwei wesentliche Entwicklungen mit sich zieht, welche von Magdoff & Foster als Kritik am aktuellen kapitalistischen System gesehen werden (Ebd:17). Während der Covid-19-Pandemie wurde deutlich, dass einerseits der Konsum von ressourcenintensiven Gütern reduziert wurde. Darunter zählen bspw. das Verreisen mit dem Flugzeug zu dienstlichen oder privaten Zwecken. Eine weitere wesentliche Entwicklung, welche von ihnen gefordert wurde, ist die Umgestaltung der Gesellschaft. Sie fordern den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht den Profit. Dadurch, dass durch die sogenannten „Lockdowns“, also das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens und Wirtschaftens, die Priorisierung auf die menschliche Gesundheit gelegt wurde, beschreibt eine der Kernforderung von Magdoff & Foster radikale Veränderungen durch einen Systemwechsel. Jedoch ist die Covid-19-Pandemie in Bezug auf die aktuelle Klimakrise kaum als Maßnahme zur Eindämmung von Umweltproblemen zu bewerten. Im Zuge des Infektionsschutzes wurde vermehrt das private Auto verwendet oder die Benutzung von Einwegartikeln weiter vorangetrieben (Umweltbundesamt 2020 und Müller 2020). Andererseits zeigt dieses Beispiel, dass eine Veränderung der Priorisierung in der Gesellschaft möglich ist. Wobei diese Aussage auch kritisch betrachtet werden muss: Reichere Länder wie bspw. Deutschland haben sicherlich die Möglichkeit, die wirtschaftlichen Folgen durch sogenannte Rettungspakete des Staates abzufedern. Unter dieser Betrachtungsweise kann kaum von einem Systemwechsel, respektive einem Wechsel der Denkweise im Kapitalismus gesprochen werden. „Wie in Marx ́ Theorien ist auch in der aktuellen Lage das Privateigentum sehr entscheidend und hat Einfluss darauf, wie mit der Krise umgegangen wird“ (Arbeitsgruppe im Seminar Politische Ökologie) und wie mit der Krise umgegangen werden kann. Der soziale Status und das eigene Vermögen entscheiden darüber, wie effektiv die Covid-19-Pandemie bewältigt werden kann. Insofern ist in der Covid-19-Pandemie besonders deutlich geworden, wie ökologische und soziale Krisen im Kapitalismus ineinandergreifen.
3.3 Protestbewegungen am Beispiel von „Fridays For Future“ und “Extinction Rebellion”
Autoren: Enno Drewes, Nico Taute
Ähnlich wie im vorherigen Unterkapitel nimmt die Theorie zur Politischen Ökologie einen hohen Stellenwert für aktuelle Protestbewegungen wie „Fridays For Future“ und „Extinction Rebellion“ ein. In der Tendenz sehen Magdoff & Foster (Ebd:17) ebenso wie die Protestbewegungen das gesellschaftliche System in der Verantwortung, für den Schutz der Artenvielfalt bzw. des Weltklimas zu sorgen (Fridays For Future 2020). Beide Protestbewegungen ähneln sich von den Forderungen her. Die Protestbewegung „Extinction Rebellion“ jedoch macht sich nach eigenen Aussagen stärker bemerkbar für ihre Forderungen mittels „zivilen Ungehorsams“ (Extinction Rebellion 2020).Von Glassmann wurde bemerkt, dass die Mehrheit aller vergangenen Protestbewegungen zumeist auf Kritik bzw. als Folge des kapitalistischen Systems beruhen (Glassman 2006, S. 612ff.). Jedoch kritisiert die Protestbewegung „Fridays For Future“ nicht den Kapitalismus direkt als System für die Umweltzerstörung respektive der Klimakrise, sondern bspw. den dekadenten Lebensstil oder den stetig steigenden Konsum von Gütern. Von „Extinction Rebellion“, aber auch teilweise von „Fridays For Future“ wird für diese Phänomene der Kapitalismus als Ursache beschrieben. Auch wenn die Forderungen wie „Null Emissionen bis 2030“ recht einfach gehalten sind, geht es in Podiumsdiskussionen auch um die Behandlung des Kapitalismus als treibendes Moment. Die zuvor angesprochene Einfachheit der Behandlung des Themas, vor allem auf „Fridays For Future“-Demonstrationen, lassen kaum Diskussionsraum für die sozialen Disparitäten innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft. In neuesten wissenschaftlichen Publikationen wird deutlich, dass die Klimakrise nicht nur eine ungleiche Belastung für die differenzierte Wirtschaftsleistung der Länder darstellt (Fairhead et al. 2012, S. 243ff.). Es wird weiterhin darauf hingewiesen, dass die Bekämpfung der Klimakrise aufgrund der erhöhten sozialen Disparitäten soziale Unruhen mit sich ziehen kann (Glassman 2006, S. 610f., 622ff.). Dies begründet sich auf die erhöhte Gefahr von sozialen Disparitäten bei Lösungsansätzen wie bspw. den Grünen Märkten. Bei einem kapitalistischen Ansatz des Umweltschutzes wird der Umweltschutz wie eine Ware gehandelt (s. 1.3). Sollte diese Ware exklusive Nutzungsrechte mit sich ziehen, wird damit zwangsläufig ein Teil der Gesellschaft privilegiert. Nämlich der Teil, der sich durch sein Vermögen die Teilhabe weiterhin leisten kann (Osborne 2013, S. 124). In der Marxistischen Politischen Ökologie ist diese Fragestellung essenziell. Es geht weniger darum zu fragen, ob der Kapitalismus schlecht oder gut für die Umwelt oder das Klima ist, sondern wie der Kapitalismus unser Verhältnis zu der Krise prägt und in welchen gesellschaftlichen Erscheinungsformen sich dieses ausdrückt. Bei der Debatte geht es um eine substantielle Frage nach dem Lebensweg, womit viele Bürger:innen vor die Frage nach der eigenen Zukunft gestellt werden. Es gibt nur unzureichende Informationen, wie eine „neue Synthese zwischen Mensch und Natur“12 aussehen kann. Eine ungewisse Zukunft schürt unter der Bevölkerung eventuell Ängste. Die Debatten in abendlichen Talkshows zum Thema „Fridays for Future“ richten sich also eher nach der Existenzgrundlage, als tatsächlich um die Frage, wie der Planet vor der Klimakrise gerettet werden kann. Greta Thunberg, Mitbegründerin der „Fridays For Future“-Protestbewegung formulierte es wie folgt: “Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, alles muss sich ändern, und zwar heute“ (Thunberg 2019). Weiter sagte sie: “Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum” (Ebd. 2020). Damit fasst Thunberg eine weitere Erkenntnis der Marxistischen Politischen Ökologie zusammen.
[12] Siehe hierzu sozial-ökologische Transformation.
4 Fazit
Kein Virus ist durch die aktuelle ökologische Krise wohl so bekannt wie der Covid-19 Virus. Vor allem, da er für den Menschen bedrohlich ist. Ein Virus, der sich von Mensch zu Mensch übertragen lässt und für manche tödlich endet. Erst durch diese wissenschaftliche Erkenntnis und durch die Bedrohung für die Menschheit bekam der Virus eine große gesellschaftliche Bedeutung. Covid-19 ist ein Virus, von dem wir erst durch wissenschaftliche Beschreibungen ein Bild haben und dadurch erst zu einer Vorstellung des Begriffs der Corona-Krise bzw. der Pandemie gelangen. Ohne diese symbolische Konstruktion wäre auch der Covid-19 Virus für uns inexistent. Ohne die wissenschaftliche Beschreibung würden wir zwar die Folgen, also das Sterben vieler Menschen, beobachten können, aber wir hätten kein Bild von der Ursache.
Im Kapitalismus limitiert also das Kapital den Zugang zur Natur – wer Kapital hat, der kann ausbeuten. Dieses Verhältnis kann laut Marx nur durch eine radikale Umwälzung der bestehenden strukturellen Rahmenbedingungen verändert werden – Revolution13. Nach der Theorie von Marx und weiterführend auch von Glassman (Ebd. 2006, S. 610f., 622ff.) wird, solange die kapitalistische Produktionsweise andauert, auch die Ausbeutung von Mensch und Natur andauern. Aber dies bedeutet in keinem Fall, dass Marx ein Vertreter einer Verelendungstheorie14 war. Er vertrat dagegen die Theorie, dass die Entfremdung von den Bedürfnissen der Menschen, in unserem Beispiel dem der Natur, widersprüchlich ist, also positive wie negative Entwicklungen mit sich bringt. Er ging davon aus, dass der Kapitalismus seine Produktivkräfte immer weiter revolutioniert: „Die Bourgeoisie kann nicht existieren, ohne die Produktionsinstrumente, also die Produktionsverhältnisse, also sämtliche gesellschaftlichen Verhältnisse fortwährend zu revolutionieren“ (Marx 1962, S. 465). Die Produktivkräfte müssen laut Marx in soziale Zusammenhänge gebracht werden und dürfen nicht den Bedürfnissen der wenigen Kapitalist:innen überlassen werden. Laut Magdoff & Foster müssen soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit miteinander verbunden werden (Ebd. 2010, S. 5ff.). Wenn wir dies ins Heute übersetzen, müssen eben auch ökologische Zusammenhänge mitgedacht werden. Dies soll nach Marx im Idealfall in der Utopie im Kommunismus geschehen. Es kann aber auch durch eine erweiterte Steuerung der Produktionsverhältnisse15 durch die Lohnabhängigen selbst geschehen. Also in einer Art Zwischenstufe (Sozialismus) zum Kommunismus. Oder durch radikale Reformen im Hier und Jetzt. Arbeitnehmer:innen haben sich schon immer organisiert (Arbeitszeitverkürzungen, Lohnerhöhungen, etc.), um das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit zu regulieren (soziale Marktwirtschaft).
Eine Marxistische Politische Ökologie zielt also darauf ab:
- Zu einer umfassenden Regulierung der Lohnarbeit zu kommen: Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Daraus folgend dann für ein ausreichendes Maß an sozialer Sicherheit zu sorgen.
- Die Zerstörung der Natur kann nur durch wirksame gesellschaftliche Gesetze unterbunden werden. Das Ziel ist es hier: eine neue Synthese von Mensch und Natur zu schaffen, vergleiche hierzu Magdoff & Foster (Ebd:17).
[13] Revolution bei Marx meint nicht zwangsläufig eine gewaltvolle einmalige Aktion. Rudi Dutschke hat den Revolutionsbegriff sinngemäß als einen langanhaltenden Prozess der Bewusstseinsveränderung beschrieben: https://www.youtube.com/watch?v=jPmyIT_wphU
[14] Das meint, er ging nicht davon aus, dass es den Menschen nur elendig genug gehen müsste, und dann käme die erhoffte Revolution von alleine.
[15] Als Produktionsverhältnisse werden bei Marx alle Beziehungen genannt, die zur Produktion, zum Handel oder zum Verbrauch von Waren und Gütern eingegangen werden müssen (Vgl. MEW13:7 ff.)
5 Literatur
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6 Abbildungen
Abbildung 1: Marx auf grünem Grund. Online abrufbar unter: https://sozialismus.ch/wp-content/uploads/2019/08/arton126557.jpg. Zuletzt geprüft am: 03.02.2021.
Abbildung 2: Mehrwerttheorie. Online abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Produktionsweise#/media/Datei:Mehrwert_schaubild.png. Zuletzt geprüft am: 10.12.2020.