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Rechte Ökologie

Autorin: Laura Brehm


Disclaimer

Im folgenden Beitrag werden Ansätze und Facetten rechter Theorie und Ideologie in Bezug auf Ökologie, Naturschutz und Nachhaltigkeit vorgestellt. Das beinhaltet antisemitische, rassistische und gewaltverherrlichende Äußerungen. Entsprechende Begrifflichkeiten werden als solche gekennzeichnet und dienen hier dem Sichtbarmachen dieser Positionen, um selbige auch in anderen Kontexten erkennen und einordnen zu können. Stereotype und abwertende Positionen sollen dabei nicht reproduziert, sondern erkennbar gemacht werden.


1 Rechte Ökologie – ein Gegensatz, der sich anzieht?

„Le Pen: Ich habe lediglich gesagt, wir wissen nicht, wie groß der Anteil des Menschen am Klimawandel ist. Ich finde, jeder Patriot muss ökologisch denken. Aus einem einfachen Grund: Ein Nomade kommt in eine Oase, er isst alle Datteln, trinkt das Wasser aus dem Brunnen, und wenn nichts mehr da ist, zieht er weiter. Wir aber sind sesshaft, verwurzelte Patrioten. […]
ZEIT: Ihrer Meinung nach ist die Ökologie also kein Thema der Linken?
Le Pen: Nein, absolut nicht. Die Linke hat das Thema gekapert. Historisch ist die Umweltbewegung von den Rechten gegründet worden “ (JOERES ET AL., 2021, 1).

Marine Le Pen, die immer beliebtere rechtsextreme Präsidentschaftskanditatin von der Partei Rassemblement National, trat 2022 zum dritten Mal zu Parlamentswahlen an und hätte so tatsächlich an die politische Spitze Frankreichs treten können. Le Pen äußert sehr deutlich, dass es aus rechter Perspektive einen Zusammenhang zwischen Patriotismus und Ökologie gibt – und dass Ökologie entgegen häufiger Lesart kein linkes Thema sei. Doch, stimmt das? Und wenn ja, woher kommt dieses Phänomen der rechten Ökologie? Welche Verzweigungen gibt es zwischen ökologischen Debatten und rechter Denkweise? Welche Themen werden verhandelt und welcher ideologischen Grundlage wird sich hierbei bedient?          

Im vorliegenden Artikel soll einigen dieser Fragen nachgespürt werden, indem zunächst der historische Zusammenhang von Naturschutz und rechter Ideologie in Deutschland erläutert wird, um danach die ‚Blut und Boden‘-Ideologie und zentrale Themenfelder rechter Ökologie zu beleuchten. Abschließend werden im Fallbeispiel die völkischen Siedler*innen als ein*e Akteur*in aus dem rechts-ökologischen Spektrum vorgestellt.

2 Vereinnahmung durch rechte Ideologie

Die Vereinnahmung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche durch rechte Ideologie ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts, vielmehr lassen sich deutliche historische Kontinuitäten feststellen. Immer wieder findet eine Aneignung verschiedener Themen durch Rechtsextreme statt, und nur manchmal ist es direkt offensichtlich. Beispiele reichen hier von Kleider- und Schuhmarken, die von Rechten bewusst verwendet werden, ohne dass sie dezidierte rechte Labels wären − wie beispielsweise Londsdale, Fred Perry oder New Balance (vgl. Mania-Schlegel, 2018) − über die rechte Aneignung von bisher als linke Aktionsform bekanntes Konzept wie den so genannten ‚Schwarzen Block‘ (vgl. Franke, o.D., 46–48), bis hin zur Gefahr der rechtsextremen Vereinnahmung der Corona-Krise (vgl. Amadeu Antonio Stiftung, 2020; Hoffmann et al., 2021). Im Kontext der rechten Ökologie ist vor allem das Phänomen der rechten Landnahme relevant, das einerseits die Widerbelebung vom schwach besiedelten ländlichen Raum und andererseits das Besetzen gesellschaftlicher und sozialer Räume bedeuten kann (vgl. FARN, o.D.b; Böckmann et al., 2021) – mehr Details hierzu am Ende des Blogartikels.

3 Historisch: Naturschutz und Rechtsextremismus

Heute wird Natur- und Umweltschutz oft im sogenannten grünen oder linken Spektrum verortet, was im Kontext der 68er-Bewegung um Abrüstung und Frieden und beispielsweise der daraus hervorgehenden damals ‚neuen‘ Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN durchaus verständlich ist, auch wenn es in deren Anfangsphase ebenfalls rechts-konservative Strömungen gab (vgl. BIERL, 2014). Dennoch ist der Zusammenhang zwischen Naturschutz und rechter Ideologie durchaus kein neues Phänomen. Für das Verständnis der Kontinuitäten von rechts-ökologischen Denkmustern ist es daher elementar, Naturschutz und Rechtsextremismus zum Beginn der Industrialisierung ab 1880 zu beleuchten. Während beispielsweise der populärwissenschaftliche Spektrum Verlag in seinem Lexikon der Geographie heutzutage „Naturschutz als Gesamtheit von Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung des Naturhaushalts mit allen seinen Bestandteilen“ (JEDICKE, o.D.) definiert, so heißt es in der historischen Lesart, dass Naturschutz „eine Reaktion auf die Veränderungen dar[stellt], die der Einzug der Moderne in Natur und Landschaft nach sich zog“ (FROHN, 2015, 74). In dem Kontext der Industrialisierung gegen Ende des 19. Jahrhunderts dominieren hier die „elementaren Verlusterfahrungen“ (ebd.) der Menschen durch die Veränderungen der „traditionellen Landschaft“ (ebd.), zum Beispiel durch Rückgang bestimmter Arten. Vor diesem Hintergrund entstand 1880 das als „Gründungsmanifest des Naturschutzes in Deutschland“ (ebd.) verstandene Essay ‚Ueber das Verhältniß des modernen Lebens zur Natur‘ von Ernst Rudorff. Fortfolgend werden mit ERNST RUDORFF und LINA HÄHNLE zwei prägnante historische Persönlichkeiten vorgestellt, an derer exemplarisch die Verquickung des Naturschutzes und rechter Ideologie jener Zeit dargelegt wird.

Ernst Rudorff

In dem Artikel „In welcher Welt wollen wir leben? Naturschützer Ernst Rudorff“ von JAN BRACHMANN, erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (künftig: FAZ) im Oktober 2018, wird im Untertitel darauf hingewiesen, dass der „Naturschutzpionier Ernst Rudorff“ (BRACHMANN, 2018, 1) und dessen Perspektive der „Ökologie aus dem Geist der Musik und der deutschen Romantik“ (ebd.) gewürdigt werden sollen, da seine „radikalen Ideen aktueller denn je sind“ (ebd.). Möglichweise muten diese Zuschreibungen beim Lesen seltsam an, denn schon 1880 zeigten sich bei RUDORFF erste völkische Tendenzen1 : „In dem innigen und tiefen Gefühl für die Natur liegen recht eigentlich die Wurzeln des germanischen Wesens“ (RUDORFF, 1880, 276 in FROHN, 2015, 74). Auf RUDORFF (1840-1916) geht die „Gründung des Deutschen Bundes Heimatschutz 1904 zurück, der Ursprungsinstitution aller späteren Naturschutzbünde“ (BRACHMANN, 2018, 1) in Deutschland. Im Jahr 1880 unterzeichnete RUDORFF die Berliner Antisemitenpetition und in der FAZ wird beschrieben, dass RUDORFF in der Landschaft „den Genius des deutschen Volkes“ (BRACHMANN, 2018, 2) erlebe und schlussfolgert, dass „ihm [dem Volk] die Treue zu brechen […] gleichbedeutend mit Entartung des Volksgeistes [ist]“ (RUDORFF, 1994, 20). Weiterhin führt RUDORFF in seinen Heimatschutzschriften fort:

„Heimatschutz habe die Aufgabe, „deutsches Volkstum ungeschwächt und unverdorben zu erhalten, [und dies ist] unzertrennlich [damit verbunden], die deutsche Heimat mit ihren Denkmälern und der Schönheit der Natur vor weiterer Verunglimpfung zu schützen. Denn hier und nirgends anders liegen die Wurzeln unserer Kraft“ (RUDORFF, 1994, 76f.).

Neben den völkischen Begründungen ist auch RUDORFFS Ansatz von Heimatschutz „passgenau“ (FROHN, 2015, 74) zur BISMARCK‘SCHEN Innenpolitik: die exklusive Ausrichtung und Ausgrenzung von bestimmten gesellschaftlichen Gruppen wie beispielsweise Vertreterinnen von „heimatfremden Internationalismus“ (RUDORFF, 1994, 77), sowie Sozialdemokratinnen und zunächst auch Katholikinnen, der sich auch im großen Zulauf zu antisemitschen Gruppierungen manifestiert. Im Jahr 1904 verwehrt RUDORFF deutschen Juden und Jüdinnen den Zugang zum Deutschen Heimatschutzbund (vgl. BRACHMANN, 2018, 2). Heimatschutz war somit kein integrierendes sondern ein ausgrenzendes Konzept mit völkischen und antisemitischen Schwerpunkten (vgl. FROHN, 2015, 75). Der heutzutage immer wieder als „Naturschutzpionier“ (BRACHMANN, 2018, 1) verklärte RUDORFF wird nach wie vor romantisiert, so endet beispielsweise der Artikel BACHMANNS mit der rhetorisch anmutenden Frage „Ob völkisches Denken und musisches Naturempfinden zwingend zueinander gehören, wäre erst noch zu klären“ (ebd. 3), waren doch „die Motive des Naturschützers […] ästhetischer Natur“ (ebd. 2). Im Verlauf des vorliegenden Artikels soll wiederholt darauf eingegangen werden, inwieweit die völkischen Gedanken RUDORFFS weitergeführt wurden, Nährboden für rechte Ideologie im 20. Jahrhundert war und sich auch heute noch in rechten Kreisen wiederfinden lassen.

Lina Hähnle

Exemplarisch wird mit LINA HÄHNLE eine weitere relevante Akteurin vorgestellt, die 1899 in Stuttgart den Bund für Vogelschutz (kurz: BfV), einen der bis heute größten Akteure im deutschen Naturschutz, mitgründete. HÄHNLE (1851-1941), die dem linksliberalen Bürgertum zugeordnet wird (vgl. FROHN, 2015, 75), übernahm 1899 den Vorsitz des BfV und leitete den Verein 38 Jahre und „prägte ihn mit ihrer zupackenden Natur“ (NABU, o.D.). Die oftmals als ‚Vogelmutter‘ titulierte HÄHNLE erfährt von Seiten des NABUs größte Anerkennung für ihr Engagement und gleichzeitig wird der NABU heute dafür kritisiert, sich nicht ausreichend mit der Rolle HÄHNLES – und damit auch der Vereinsgeschichte des NABUs – im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen (vgl. SPEIT, 2016). Auch wenn sie persönlich keine Nationalsozialistin der ersten Stunde war, so grüßte sie 1933 bei einer Mitgliederversammlung mit den Worten „Ein sieghaftes ‚Heil‘ auf unseren Volkskanzler, der die Deutschen aus der Verbundenheit mit der Natur heraus gesunden lassen will“ (ebd.) und trug ein Jahr später auch die Satzungsänderung mit, nach der ausschließlich „deutsche Staatsbürger und Menschen artverwandten Blutes“ (ebd.), ergo keine Juden und Jüdinnen, Mitglied im Reichsbund für Vogelschutz sein durften. Auf der Tagung „Lina Hähnle und die demokratischen Traditionen im deutschen Naturschutz“ des NABU im Jahr 2016 sollte dieses bisherige Bild HÄHNLES überprüft werden, doch auch hier wird von Seiten der Umwelthistorikerin ANNA-KATHARINA WÖBSE angemerkt, dass an der Figur HÄHNLE das „Dilemma der Naturschutzbewegung“ (SPEIT, 2016) deutlich werde: einerseits die „‘starke Taktgeberin‘ des frühen Naturschutzes“ (ebd.) und andererseits die „‘exponierte Trägerin der Anpassung‘ an das ‚autoritäre Regime‘ des NS-Staates“ (ebd.). Auch der NABU schlussfolgert mittlerweile auf seiner Homepage, wenngleich es eher einer sehr knappen Bemerkung gleicht, dass LINA HÄHNLE „mit ihrem gleichgeschalteten Verband systemstabilisierend“ (NABU, o.D.) wirkte. Die Vorstellung von ERNST RUDORFF und LISA HÄHNLE zeigt, inwieweit beide Akteurinnen, wenngleich auch auf sehr unterschiedliche Art und Weise, bis heute Relevanz im komplexen Spektrum des Natur- und Umweltschutzes haben. RUDORFFS bisweilen völkisch geprägte Denkweise war im Nationalsozialismus nahtlos anschlussfähig, wenn nicht sogar richtungsweisend, und der von ihm gegründete Deutscher Bund Heimatschutz die erste staatliche Institution im damals neuen Natur- und Umweltschutz.

Die Zeit des Nationalsozialismus von 1933-1945 birgt so viele komplexe Bezüge zwischen Naturschutz und rechter Ideologie wie sonst vermutlich keine andere Zeit im letzten Jahrhundert. An dieser Stelle soll vor allem kontextualisiert werden, wie das politische System des Nationalsozialismus, repräsentiert durch verschiedene Vertreter , mit Naturschutz korrelierte/zusammenhing/interagierte.

Unter WALTHER SCHOENICHEN, seit 1922 der neue Leiter der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege, erblühte der „völkisch transfomierte Naturschutz“ (FROHN, 2015, 77) geradezu. Beispielsweise war der Ausschluss von Juden und Jüdinnen aus dem ‚deutschem Wald‘ Bestandteil der Nürnberger Rassegesetze von 1935 (vgl. ebd.). Die NS-Ideologie war hierbei keine homogene: ein Dreiklang aus erstens Vertretern der völkischen ‚Blut und Boden‘ -Ideologie wie NS-Landwirtschaftsminister WALTER DARRÉ, zweitens „extrem rassistische Ideologen“ (FROHN, 2015, 77) wie beispielsweise SS-Reichsführer HEINRICH HIMMLER, sowie drittens „technokratische Modernisierer“ (ebd.) wie FRITZ TODT. SCHOENICHENS Naturschutz-Ansatz wird vor allem als anschlussfähig an DARRÉS ‚Blut und Boden‘-Ideologie beschrieben, so betonte SCHOENICHEN in den Veröffentlichungen seiner völkischen Konzepte, dass „Diese Naturverbundenheit […] auch in Zukunft Merkmal unserer Rasse bleiben [muß], wenn anders der deutsche Mensch nicht eine seiner wertvollsten Eigenheiten verlieren und wenn unsere deutsche Kultur nicht einer niemals wieder auszugleichenden Entartung anheimfallen soll“ (SCHOENICHEN, 1934, 2f, in FROHN, 77). Im Jahr 1935 begann sich die politische Landschaft im nationalsozialistischen Naturschutz zu verändern, die Zuständigkeit für Naturschutz ging mit dem neuen Reichsnaturschutzgesetz (kurz: RNG) über auf HERRMANN GÖRING, unter anderem der damalige Reichsforstmeister. In der Präambel des Gesetzes wurde angedeutet, dass die Naturdenkmalpflege der Weimarer Republik nur bedingt erfolgreich war, weil „wesentliche politische und weltanschauliche Vorraussetzungen fehlten“ (FROHN, 2015, 78) und erst die NS-Diktatur einen mehrheitsfähigen Naturschutz ermöglichte. Mit der Ernennung GÖRINGS zum Beauftragten für den Vierjahresplan, der de facto die wirtschaftliche Modernisierungsstrategie zur Kriegsvorbereitung war, wurde GÖRING quasi zum „oberste[n][…] Naturschützer und gleichzeitig oberste[n][…] Naturzerstörer“ (ebd.), in Bezug auf die großräumige Zerstörung von Naturschutzflächen in der Land- und Forstwirtschaft (vgl. ebd.).

An dieser Stelle deutet sich ein sehr spannender Wandel in der Relevanz von Naturschutz an: ging es bis 1936 noch um Naturschutz als solchen, so seien „‘Blut und Boden‘-Träumer wie Darré […] kaltgestellt“ (FROHN, 2015, 78) worden, um den Modernisierungen rund um die Kiregsvorbereitung Priorität einzuräumen. Konkret resultierte das beispielsweise in der Absetzung von SCHOENICHEN, da Naturschützer*innen, die tatsächlich die Natur haben erhalten wollen, als „Störfaktoren“ (ebd.) wahrgenommen wurden und durch so genannte NS-Technokraten ersetzt wurden (vgl. ebd.). Relevant wurde im Zuge der so genannten ‚Osterweiterung‘ nun vor allem HEINRICH HIMMLER, der als Leiter des Reichskommissariats zur Festigung deutschen Volkstums die Ansiedelung ‚deutscher Wehrbauern‘ in den von der Wehrmacht immer weiter besetzten polnischen und osteuropäischen Gebieten vorantrieb, unter den Annahme, dass dort entweder gar keine Menschen lebten, beziehungsweise die ansässige Bevölkerung vertrieben und/oder in Konzentrationslagern ermordet wurde. (vgl. FROHN, 2015, 79)

Es drängt sich die These auf, dass der Natur- und Heimatschutz womöglich weniger das Ziel als solches (aka Schutz der Lebensgrundlagen), sondern mehr als Mittel zum Zweck von beispielsweise der Legitimation von Krieg, geographischer Ausdehnung der deutschen Grenzen, und der millionenfachen Vernichtung aller Menschen, die nicht dem Idealbild der Nationalsozialisten entsprachen, war. Diese Annahme liegt auch insofern nahe, dass auch im Naturschutz nach Kriegsende 1945 umfassende historische Kontinuitäten zu verzeichnen sind (vgl. FROHN, 2015, 79).

Aufgrund der unpolitischen Sicht auf den staatlichen Naturschutz ab 1945 konnten dort alte Netzwerke ehemaliger Nationalsozialisten fortbestehen und historische Kontinuitäten trotz Entnazifizierungsverfahren bestehen. So wurde der Naturschutz auch „nur mit extrem großen Mühen“ (FROHN, 2015, 80) im Grundgesetzt verankert und 1951 sollte die Bundesanstalt für Naturschutz und Landschaftspflege sogar vollständig aufgelöst werden, weil Naturschutz den Wiederaufbau hemme. Erst gegen 1970 war der Naturschutz auch in der demokratischen Mitte der BRD angekommen und wurde zunehmend Thema linker Politik, Beispiele hierfür sind unter anderem die Gründung der Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN, die so genannte 68er-Bewegung, die Mobilisierung gegen Atomkraft und für Frieden, die Gründung von NGOs wie Greenpeace Deutschland. Die Rolle des Naturschutzes im Nachkriegsdeutschland der DDR kann hier aus Platzgründen nicht aufgegriffen werden (vgl. FROHN, 2015, 80f.).


1 ‚Völkisch‘: Rassistische und rechtsextreme Auffassung, die darauf basiert, dass das ‚deutsche Volk‘ als homogene ‚Gruppe‘ gegen ‚Überfremdung‘ durch Zuwanderung geschützt werden müsse, um ‚rassisch‘ ‚rein‘ zu bleiben. Außerdem der Bezug auf die ‚Verwurzelung‘ in einem bestimmten ‚Lebensraum‘ (Stichwort ‚Blut und Boden‘-Ideologie), die Vorstellung von Überlegenheit und damit einhergehende Abgrenzung und Abwertung von Menschen anderer ‚Rassen‘ (beispielsweise von Juden und Jüdinnen) oder beispielsweise Menschen mit Behinderung. Identitätssstiftend wirkt die Besinnung auf vermeintlich ‚deutsche‘ Werte, Traditionen, Gemeinschaft und kulturelle Eigenheiten(vgl. FARN (2018); Röpke et al. (2019)).

4 ‚Blut und Boden‘ Ideologie

Die bis dahin zwar bekannte, aber unter Walter Darré implementierte rassistisch motivierte ‚Blut und Boden‘-Ideologie war die fundamentale Grundlage für die NS-Ideologie (vgl. Gies, 2019, 161–174) und dient bis heute als Legitimation für eine völkische, antisemitische und rassistische Weltanschauung. Darré, seinerzeit als Reichsbauernführer der Kopf der nationalsozialistischen Agrarpolitik, wendete Methoden und Begrifflichkeiten der Tierzucht auf menschliche Verhältnisse an, um einen „nordrassischen ‚Neuadel aus Blut und Boden‘“ (Corni et al., 1994, 17) quasi ‚zu züchten‘. Darré stellte klar, dass „Ohne Bejahung der Rassenfrage […] sich kein Staat auf volksbewußter Grundlage aufbauen [lässt]“ (Darré, 1940, 26f. in Corni et al., 1994, 68) und dies führe  „zur Bejahung des Bauern [sic!] und damit zur Bejahung des deutschen Raumes:In einem solchen Staate ist der deutsche Bauer wieder der Eckstein des Staatsgedankens “ (ebd.). Dementsprechend müssen die „Gesetze von Blut und Boden in erster Linie in diesem Staate ihre Berücksichtigung finden“ (ebd., 69). Das ‚germanische Bauerntum‘ fungierte hierbei als „Lebensquell der Nordischen Rasse“ (Corni et al., 1994, 17) – die Unterscheidung von Menschen in ‚Rassen‘ ist wissenschaftlich nicht haltbar und demnach konstruiert (vgl. FARN (2019, 7f) -, in Abgrenzung zu ‚morgenländischen‘ ergo jüdischen Menschen sowie der slawischen Bevölkerung Osteuropas (vgl. Corni et al., 1994, 17–24). Diese Idee bezieht sich auf Vorstellung vom ‚germanischen Volk‘, nach der das „wüste Land mit rauem Himmel“ (Tacitus o.J., in Franke, 2015, 55) dieses ‚Volk‘ geprägt habe und vor allem den anderen ‚Völkern‘ überlegen mache. Dementsprechend ist mit dem Begriff ‚Boden‘ konkret die so genannte deutsche Natur gemeint, die zur Ausprägung entsprechender Eigenschaften bei der dort ‚ursprünglich‘ lebenden Bevölkerung führe, was gleichzeitig bedeutet, dass alle Menschen, die dem nicht entsprechen qua ihrer Herkunft, als ‚minderwertig‘ gelten (vgl. ebd.). In diesem Kontext bezieht sich ‚Blut‘ auf „Abstammung, Vererbung und Herkunft“ (ebd.). Hierbei wird zwischen „Arten“ (FARN, 2019, 7) von Menschen unterschieden, was in dieser Lesart mit „Rasse“ (ebd.) gleichgesetzt wird. Die eindeutig konstruierte ‚germanische Rasse‘ habe ihre Eigenschaften z.B. der Widerstandsfähigkeit gegenüber Kälte und harten Lebensumständen über Generationen weitergegeben und erklärt somit die bis heute angenommene Überlegenheit einiger weniger Menschen (der so genannten ‚arischen Herrenrasse‘) gegenüber bestimmten anderen Menschen (alle, die diese Herkunft bzw. Merkmale vermeintlich nicht aufweisen können). In der NS-Zeit barg diese „Aufspaltung der Gesellschaft in minderwertige und höherwertige Menschen“ (Corni et al., 1994, 20) eine „Radikalisierungsmöglichkeit“ (ebd.), die schlussendlich in „Menschenaufzucht“ (ebd.) und „Menschenvernichtung“ (ebd.) gipfelte. Unter der Zuschreibung der „Deindividualisierung, Sündenbockfunktion bzw. Schuldzuweisung und Empathieverweigerung“ (ebd., 21) gelang es den Nationalsozialist*innen, ein Zusammengehörigkeits- und Identifikationsgefühl nach innen zu schaffen und gleichzeitig Feindbilder mit den genannten Merkmalen nach außen zu konstruieren. Das Absprechen jeglicher Menschlichkeit war demnach lediglich eine logische Konsequenz und ‚ermöglichte‘ ideologisch gesehen die Ermordung von Millionen Juden und Jüdinnen, Homosexuellen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung und vielen anderen zwischen 1933 und 1945. (vgl. Corni et al., 1994, 20f) 

Auch an den Universitäten des Dritten Reichs wurde die ‚Blut und Boden‘-Ideologie im Fach Volkskunde mit Themen rund um „Sitte, Deutschtum, das Völkische“ (Brednich, 1987, 313) vermeintlich wissenschaftlich erforscht und gelehrt. 

5 Zentrale Themenfelder

Bisher wurde im vorliegenden Text bewusst von ‚Naturschutz‘ oder ‚Umweltschutz‘ gesprochen und möglicherweise stellt sich an dieser Stelle jetzt die Frage, inwieweit die eben vorgestellte ‚Blut und Boden‘-Ideologie mit (auch heutigem) Naturschutz zusammenhängt, daher folgt an dieser Stelle nun das Konzept des rechten ‚Heimatschutz‘.

Naturschutz beschreibt „direkte Schutzmaßnahmen für Pflanzen und Tiere sowie deren Lebensräume. Oberste Priorität hat der Erhalt der Artenvielfalt sowie gesunder Ökosysteme“ (Bildungszentrum für Umwelt- und Naturschutz NRW gUG (o.D.)). Häufig werden mit ‚Natur‘ vom Menschen unberührte und unveränderte Landschaften wie Wälder und Gewässer assoziiert. Unterschiedlichen Natur-Konzepte, welche diesem Verständnis zugrunde liegen, können aus Platzgründen hier leider nicht diskutiert werden.

Umweltschutz „umfasst neben der Natur die Gesunderhaltung des Klimas, der Böden, des Wassers und der Luft. Umweltschutz beschäftigt sich übergeordnet mit der Frage, wie die Umwelt durch menschliche Tätigkeiten und Handlungen so gering wie möglich belastet wird.“ (Bildungszentrum für Umwelt- und Naturschutz NRW gUG (o.D.)).

5.1 Heimatschutz

Plakat der NPD mit Aufschrift: "Artenschutz auch für Deutsche"
Abbildung 1: Wahlplakat zur Landtagswahl Sachsen im September 2019. Quelle: (NPD SACHSEN, 2019)

Umweltschutz ist extrem eng und ganz klar mit Heimatliebe verknüpft. Umweltschutz hat nichts, aber auch gar nichts, mit Mulit-Kulti, Einwanderung und Globalisierung zu tun“

(Sellner 2014 in FARN, 2019, 11)

In rechten Kreisen (NPD, Der III. Weg, Identitäre Bewegung etc.) ist „Umweltschutz ist Heimatschutz“ (FARN, 2019, 11) quasi ein Klassiker, der immer wieder so skandiert wird. Heimatliebe und Heimatschutz bedeuten in rechter Lesart vor allem das „Bewahren einer Kulturlandschaft“, die mit romantisiertem bäuerlichem Deutschland assoziiert wird.

‚Heimat‘ wird hierbei als starres Konzept verstanden, welches durch Veränderung zerstört wird und nicht als Gefühl oder Ort, abseits von biologischer Herkunft. Zentraler Gedanke dabei ist die „‚natürliche‘ Verbindung von ‚Volk und Raum‘“ (auch unter Geodeterminismus bekannt) (ebd.), also ein ganz klarer Bezug zur ‚Blut und Boden‘-Ideologie. Weiterhin wird daraus abgeleitet, dass eine Veränderung der Umwelt auch eine Veränderung des Volkes mit sich zieht – und dass dies ein Problem sei. Insofern bedeutet Heimatschutz in diesem Kontext die Abschottung von allem vermeintlich ‚Fremdem‘, auch hier in Anlehnung an völkische Traditionen (vgl. FARN, 2019, 11f.).

In dieser Lesart sind auch das Zitat von Martin Sellner, Kopf der deutschsprachigen Identitären Bewegung, und das abgebildete Wahlplakat der NPD zu verstehen. Einerseits biologisierend: Menschen als ‚Art‘, quasi ‚Rasse‘, die es zu schützen gelte (NPD-Plakat); andererseits die Verknüpfung von Naturschutz und ‚Heimatschutz‘, in Abgrenzung zu menschlicher Migration mit klarem Verweis zum so genannten ‚Ethnopluralismus‘, einem rechten Konzept nach dem die Existenz verschiedener ‚Ethnien‘ als legitim anerkannt wird, solange diese dort leben, wo sie historisch und biologisch ‚zugehörig‘ seien − mit der klaren Absage an jegliche Migration und ‚Vermischung‘ unterschiedlicher Gesellschaften und Kulturen. Ethnopluralistische Ideen hören sich oftmals vermeintlich harmlos an, sind jedoch durchweg rassistisch, diskriminierend, abwertend und missachten zudem die Tatsache, dass Migration schon immer ein wesentlicher Teil der Menschheitsgeschichte ist (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, 2016).

Grundsätzlich ist Heimatschutz also nicht per se problematisch, allerdings sollte sehr genau darauf geachtet werden, wer dieses Konzept aus welchem Grund verwendet, weil oftmals – zunächst unerkannt getarnt als Naturschutz – ‚Heimatschutz‘ und ‚Heimatliebe‘ als Teil völkischer Ideologie zur Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen genutzt wird.  

Mythis Germania und der deutsche Wald

Abbildung 2: Protest zum Schutz des Reinhardwaldes in Hessen, Twitter-Post der Jungen Alternative Deutschland am 26.03.2022. Quelle: (Junge Alternative Deutschland, 2022)

Ein weiteres zentrales Thema mit dezidiert rechter Lesart ist der so genannte ‚Deutsche Wald‘ als Teil der Ideen rund um ‚Volk‘, ‚Lebensraum‘, ‚Wurzeln‘ und dem Leben im Einklang mit der Natur. Wie bereits erwähnt wird in der Denkart des ‚germanischen Mythos‘ davon ausgegangen, dass „Die harte Urnatur Germaniens […] den Deutschen eine überlegene Erbsubstanz [schuf]“ (Franke, o.D., 24), aus derer die besondere Schutzbedüftigkeit der ‚Reste Urgermaniens‘ hervorgehe, um eben jenen Lebensraum zu schützen, in dem ‚die Deutschen‘ zu ihrer Stärke gelangt seien, die Orte, an denen ‚das Volk‘ verwurzelt sei zu bewahren, um so mit der deutschen Natur auch die deutsche Kultur vor Einflüssen und Veränderungen zu schützen (vgl. ebd.).

Der Bezug zum deutschen Wald und der Verwurzelung der Menschen mit ihrer ‚Heimat‘ ist hier keinesfalls zufällig: aus der früheren Walddichte in Nord- und Mitteleuropa wird hier eine Verbindung zwischen der „germanisch-keltischen Abstammung“ der Menschen mit einer ihnen innewohnenden „Waldseele“ (ebd.) gezogen, die sie vermeintlich abgrenzen soll zur „morgenländischen Wüstenseele“ (ebd.), ergo der jüdischen und nicht-arischen Bevölkerung. Weiterhin wird ein bestimmtes Verständnis über die Verbindung von ‚Volk‘ und ‚Raum‘ herbeigezogen: durch die Abstammung der Menschen von einem Ort entstehe einerseits eine Verwurzelung an jenem Ort und andererseits wirke diese Abstammungslinie auf die Seele ein. Diese Sichtweise kann klar als rechts-esotherischer, germanischer Mythos eingeordnet werden (vgl. FARN, 2019, 7f).

Dementsprechend ist es auch weder überraschend noch konträr zur Parteilinie, dass sich die AfD wie in Abbildung 2 sichtbar, für den Erhalt des „Märchenwaldes“ einsetzt und gleichzeitig gegen ‚den Klimawahn‘“ protestiert. Vielmehr wird auch hier mit dem klar benannten ‚Mythos Wald‘ eindeutig der völkische Bezug zur ‚Blut und Boden‘-Ideologie offenbar. Ähnliche thematische Verschneidungen zwischen Naturschutz bzw. ‚Heimatschutz‘ und rechter Ideologie lassen sich auch bei weiteren Themen wie beispielsweise Migration oder Bevölkerungswachstum finden. In der Linksammlung am Ende des Blogartikels finden sich weiterführende Informationen hierzu.

5.2 Antisemitismus

Die vorgestellten Konzepte von rechtem Naturschutz, der auf ausgrenzenden Ideen rund um die Überlegenheit des ‚deutschen Volks‘ im ehemals germanischen ‚Lebensraum‘ und in Abgrenzung zu allem, was dem vermeintlich nicht entspricht oder es verändern könnte, beruht, sind in ihrem Kern immer zutiefst antisemitisch. Die ideologische Grundlage des Antisemitismus wird fortfolgend dargestellt, um einerseits die Relevanz dessen als Teil rechter Ideologie einordnen zu können und um andererseits Antisemitismus in seinen Facetten auch heute als solchen erkennen zu können. Um diese thematischen historischen Kontinuitäten unter anderem in Form von antisemitischer Denkweise herauszukristallisieren, werden im abschließenden Kapitel 6 heutige völkischen Siedler*innen beispielhaft vorgestellt.

Schon während der Kaiserzeit waren Juden und Jüdinnen, unter anderem durch den Einfluss von Ernst Rudorff, vom Bund Heimatschutz und somit der Beteiligung am damaligen Naturschutz ausgeschlossen. Diese im historisch gesehen Vergleich noch eher harmlos anmutende Form des Antisemitismus war allerdings nur ein weiteres Detail in einer seit Jahrhunderten stattfindenden Ablehnung, Diskriminierung und Diffamierung, die schließlich im Massenmord von sechs Millionen Juden und Jüdinnen gipfelte. Auch heute bleibt Antisemitismus und daraus resultierende Gewalt präsent in Deutschland (Beispielsweise am 9. Oktober 2019: Rechtsextremistischer Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern (vgl. Bundeszentrale für politische Bildung 2020)).

Ideologisch geht der Antisemitismus unter anderem auf die Vorstellung zurück, dass einzig die so genannte ‚germanische Herrenrasse‘ auf „kulturschöpferische und zivilisatorische Fähigkeiten“ (Benz, 2010, 107) zurückgreifen kann, was wiederum ihren Herrschaftsanspruch legitimiere (vgl. ebd.). Nationalsozialistische ‚Rassenhygieniker*innen‘ argumentierten in Anlehnung an Darwins‘ biologische Evolutionstheorie mit der Unterscheidung in ‚höhere‘ und ‚niedere‘ Rassen, die aus rechter Perspektive in der Notwendigkeit mündet, die „Selektion und Züchtung“(ebd.) bestimmter, ergo arischer Menschen zu gewährleisten. Diese Form des Sozialdarwinismus schein-legitimierte nicht nur die Ermordeung von Juden und Jüdinnen, sondern beispielsweise auch von Menschen mit Behinderung im Nationalsozialismus oder die ‚Lebensraumerweiterung‘ in Osteuropa für ‚Arier*innen‘ (vgl. FARN, o.D.a). Juden und Jüdinnen wurde zugeschrieben, „materialistisch, zerstörerisch“ (Benz, 2010, 107) zu sein und den „Germanen die legitime Weltherrschaft streitig zu machen“ (ebd.).

Dieses rassistische und antisemitische Verständnis verschiedener biologisch erklärbarer menschlicher ‚Rassen‘ ist heute wissenschaftlich widerlegt und auch mit dem universalen Recht auf Menschenwürde nicht vereinbar (vgl. (FARN, o.D.a).

6 Fallbeispiel: Völkische Siedler*innen heute

Historisch gehen völkische Siedler*innen unter anderem auf den 1923 gegründeten ‚Bund Artam‘ zurück, dessen bekanntestes Mitglied SS-Chef Heinrich Himmler war. Ganz im Stil der ‚Blut und Boden‘-Ideologie gründeten junge Leute völkischer Gesinnung so genannte ‚Wehrdörfer‘, um dem germanischen Mythos nach harter Arbeit und Kontakt zum ‚deutschen Boden‘ nahe zu kommen. Besonders hervorzuheben ist dabei die so genannte ‚Besiedelung‘ der besetzten ‚Ostgebiete‘ im heutigen Osteuropa, die einer gewaltvollen Kolonisierung gleichkommt (vgl. Franke, o.D., 81–87).

Himmler äußert sich hierzu folgendermaßen über jene Siedlungen:

„Ich stelle mir vor, daß wir unbarmherzig in der Siedlung sind, denn diese neuen Provinzen müssen germanische, blonde Provinzen Deutschlands werden. […] Nämlich die sollen ja Herrenbauern werden, sollen ja ein Gefühl haben, daß sie nun als Deutsche auf einer eroberten, mit Blut gedüngten und damit zu Deutschland gehörigen Scholle stehen, sie auch verteidigen können.“

Fallbeispiel: Völkische Siedler*innen heute

Rede vor Gauleitern und anderen Parteifunktionären am 29.2.1940. (B. F. Smith, A. Peterson: Heinrich Himmler: Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen. Frankfurt a. Main, Berlin, Wien 1974. S. 142 zitiert nach Franke, o.D., 85)

Seit dem Mauerfall 1989 kam es zu einer Art Renaissance der Artaman*innen. Vor allem im für BRD-Bürger*innen wieder zugänglich gewordenen Ostdeutschland, tatsächlich aber auch in fast allen anderen Bundesländern, wurden seitdem alte Höfe erworben und auf diese Weise rechte Landnahme etabliert. Die Bewirtschaftung der Flächen erfolgt als ökologische Landwirtschaft, wobei sich deutlich die Bezüge zu rechtem ‚Heimatschutz‘ und schlussendlich auch ‚Blut und Boden‘-Ideologie zeigen (vgl. Franke, o.D., 81–87).

Diese Spielart der rechten Ökologie bleibt oftmals zunächst verborgen. So mutet die Wiederbelebung des ländlichen Raums mit ökologischen Wirtschaftsweisen und das gesellschaftliche Engagement in dörflichen Strukturen zunächst politisch eher links an, und gerade deshalb ist die Einordnung dessen von so großer Relevanz. Der Sehnsuchtsort ‚Land‘ bleibt für Rechtsextremist*innen relevant im Kontext der Idealisierung bäuerlicher Strukturen, im Gegensatz zu politisch linken Bewegungen, die in Deutschland meist städtisch geprägt beziehungsweise im „Aktionsraum Stadt“ (ebd., 86) aktiv sind. Die ‚Stadt‘ als solche steht im Gegensatz zum ‚Land‘ und wird in rechter Lesart eher als Raum von Verweichlichung, Dreck, Drogenhandel, Konsum, ungewollter Diversität wahrgenommen. (vgl. Franke, o.D., 41–48, 88).  

Im Hinblick auf historische Kontinuitäten ist eine 2019 veröffentlichte Studie über den Vergleich der Wahlergebnisse der NSDAP in den 1930er Jahren und der AfD bei der Bundestagswahl 2017 auf Gemeindeebene sehr aufschlussreich: es wurde gezeigt, dass eine starke Korrelation besteht zwischen den Orten, in denen damals vor allem die NSDAP gewählt wurde und jenen, in denen auch 2017 mit der AfD vermehrt rechts gewählt wurde (vgl. Cantoni et al., 2019). Bestätigt wird hier die „Persistenz einer ‚kulturellen Tradition von rechtsgerichtetem, rechtspopulistischem Denken‘ über viele Generationen“ (Röpke et al., 2019, 9): historischen Kontinuitäten in Denkweise und Wahlverhalten treten häufiger und stärker im ländlichen Raum auf (vgl. ebd.).  

„Ist doch klar, dass solche Leute nicht in den multikulturellen Stadtteil von Berlin ziehen, weil da haben sie keinen gesellschaftlichen Resonanzraum. Sondern sie gehen in die Regionen, in denen in den letzten 25 Jahren der Rechtsextremismus eine lange zurückreichende erfolgreiche Geschichte von kultureller Hegemonie hat“

(Begrich in Böckmann et al., 2021)

Auch wenn es völkische Siedler*innen durchaus in allen Bundesländern gibt, so stellt sich möglicherweise doch die Frage, warum gerade Ostdeutschland für derartige Strukturen attraktiv ist. Grund dafür liegt unter anderem im verfügbaren Raum, quasi im doppelten Sinn: einerseits viel Leerstand und günstige Mieten oder Eigentumspreise, sprich viel ungenutzter physischer Raum, der leicht erwerblich und nutzbar ist, und andererseits viel gesellschaftlicher Raum zur politischen Vereinnahmung, ohne erwartbaren Widerstand von Mitbürger*innen oder Institutionen vor Ort (vgl. Böckmann et al., 2021).

7 Fazit

Bei eingehender Beschäftigung mit der Rechten Ökologie wird deutlich, dass dieses Begriffspaar niemals als Gegensatz zu verstehen ist, sondern im Gegenteil historisch eng verwoben ist. Konzepte von ‚Lebensraum‘, ‚Volk‘, und ‚Heimatschutz‘ als Teil des Naturschutzes waren im Kaiserreich und in der NS-Zeit immer antisemitisch, diskriminierend und ausgrenzend, sowie maßgeblich legitimierend für den Holocaust. Die Zunahme vom öffentlichem Diskurs durch ein Sichtbarwerden rechter Naturschutz-Themen, wie im Blogartikel beispielhaft vorgestellt, ist keine Aneignung ökologischer Themen durch rechte Akteur*innen weil Ökologie, Nachhaltigkeit und Umweltschutz politisch gerade en vogue sind, sondern vielmehr als eine Rückeroberung, ein Betonen der Werte, die rechter Ideologie schon immer inhärent waren, zu verstehen. Diese historischen Kontinuitäten im Werte-Verständnis der rechten Ökologie spiegeln sich hierbei unter anderem in der völkischen Lesart der Verbundenheit von ‚Volk und Lebensraum‘, aus derer heraus ein Herrschaftsanspruch inklusive ethnopluralistische Feindbilder im Geiste der ‚Blut und Boden‘-Ideologie konstruiert wird. Völkische Siedler*innen heute nutzen rechte Landnahme, um gesellschaftliche und strukturschwache Räume zu besetzen und mit ökologisch-nachhaltigen Arbeits- und Lebenskonzepten rechte Strukturen aufzubauen.

In Zeiten, wo eine rechtspopulistische Partei mit rechtsextremem Flügel in allen Landtagen sowie mit signifikanten Mandaten im Bundestag vertreten ist, und gleichzeitig die Bekämpfung der Klimakrise politisch und gesellschaftlich auf höchste Priorität angewiesen ist, wird auch das Erkennen, Einordnen und Abweisen rechter Positionen im Umwelt- und Klimaschutz äußerst relevant für demokratische Gesellschaften.

8 Weiterführende Informationen

„Blut und Boden“-Ideologie:

  • Gies, H. (2019). Richard Walther Darré. Der „Reichsbauernführer“, die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie und Hitlers Machteroberung. Wien u.a.: Böhlau Verlag

Völkischen Siedler*innen:

  • MDR-Doku: Böckmann, N. & Datt, T. (2021). Rechte Landnahme – wie Nazikader nach Sachsen ziehen (Exact). https://www.mdr.de/investigativ/rechtsextreme-sachsen-landnahme-100.html (aufgerufen am: 08.04.2022).
  • Buch: Röpke, A. & Speit, A. (22019). Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos. Berlin: Ch. Links Verl.

Antisemitismus heute:

Rechte Ökologie allgemein:

9 Literaturverzeichnis

Amadeu Antonio Stiftung (2020). Warnung vor rechtsextremer Vereinnahmung der Corona-Krise. Analyse. https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/warnung-vor-rechtsextremer-vereinnahmung-der-corona-krise-57225/ (aufgerufen am: 08.04.2022).

Benz, W. (Hg.) (2010). Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Berlin: de Gruyter Saur.

Bierl, P. (12014). Grüne Braune. Umwelt-, Tier- und Heimatschutz von rechts (Unrast transparent Rechter Rand Bd. 5). Münster, Westf.: Unrast-Verl.

Bildungszentrum für Umwelt- und Naturschutz NRW gUG (o.D.). Naturschutz in Nordrhein-Westfalen. https://buna-nrw.de/warum/naturschutz/ (aufgerufen am: 30.03.2022).

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Brednich, R.W. (1987). Volkskunde – die völkische Wissenschaft von Blut und Boden. In H. Becker (Hg.), Die Universität Göttingen unter dem Nationalsozialismus: Das verdrängte Kapitel ihrer 250jährigen Geschichte (S. 313–320). München: Saur.

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FARN (o.D.b). Rechte Landnahme.

FARN (2018). Glossar | Völkisch. https://www.nf-farn.de/glossar-voelkisch (15.07.2020) (aufgerufen am: 13.04.2022).

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Frohn, H.-W. (22015). Naturschutz und Rechtsextremismus – der Blick in die Geschichte. In G. Heinrich, N. Wiersbinski, & K.-D. Kaiser (Hg.), Naturschutz und Rechtsradikalismus: Gegenwärtige Entwicklungen, Probleme, Abgrenzungen und Steuerungsmöglichkeiten (BfN-Skripten 394) (S. 73–85). Bonn-Bad Godesberg: Bundesamt für Naturschutz.

Gies, H. (2019). Richard Walther Darré. Der „Reichsbauernführer“, die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie und Hitlers Machteroberung. Wien u.a.: Böhlau Verlag.

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Junge Alternative Deutschland (2022). Märchenwald bleibt! #reinhardswald. https://twitter.com/JA_Deutschland/status/1507806053521571842/photo/2 (aufgerufen am: 07.04.2022).

Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg (o.D.). Lina Hähnle (1851–1941). Kämpferin für Vogel- und Umweltschutz. https://www.hausaufderalb.de/lina-haehnle.

Mania-Schlegel, J. (2018). Waffen, Runen, Berge. Nazimode. ZEIT ONLINE, 29.11.2018. https://www.zeit.de/2018/49/nazi-mode-rechtsextremismus-christoph-schulze-interview/seite-2 (aufgerufen am: 08.04.2022).

NABU (o.D.). Vogelmutter mit Courage. Porträt der NABU-Gründerin Lina Hähnle. https://www.nabu.de/wir-ueber-uns/organisation/geschichte/00347.html (aufgerufen am: 23.03.2022).

NPD Sachsen (2019). Natur- und Heimatschutz statt „grüner“ Klimawahn! https://npd-sachsen.de/natur-und-heimatschutz-statt-gruener-klimawahn/ (aufgerufen am: 07.04.2022).

Röpke, A. & Speit, A. (22019). Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos. Berlin: Ch. Links Verl.

Rudorff, E. (19261994). Heimatschutz. St. Goar: Reichl Verlag.

Speit, A. (2016). Die braune Vogelschützerin. NS-Geschichte des Nabu. taz. Die Tageszeitung, 6.03.2016. https://taz.de/NS-Geschichte-des-Nabu/!5281904/ (aufgerufen am: 29.11.2021).

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